Raus aus der Kultur-Bubble

In der März Ausgabe des KM Magazins habe ich mich mit drei Thesen für eine überfällige Annäherung an Outreach im Kulturbetrieb befasst. Das Magazin mit interessanten Beiträgen zum “Out of the Box” Denken und Handeln ist unter dem Link im Archiv des Kultur Management Network Magazin frei online verfügbar. Alle die nicht bis Seite 19 scrollen wollen lesen hier weiter.

Raus aus der Kultur-Bubble

Drei Thesen für eine überfällige Annäherung an Outreach im Kulturbetrieb

Ein Beitrag von Ivana Scharf

„Bubble“ nennt sich das Phänomen, das auftritt, wenn man sich in den
sozialen Medien in homogenen Gruppen aufhält: Es entsteht eine Filterblase, in der man nur noch Informationen sieht, die dem eigenen Weltbild, den persönlichen Anschauungen und Vorlieben entsprechen. Was Pariser (2012) für die virtuellen Netzwerke beschrieben hat, ist in klassischen Kulturinstitutionen eigentlich schon immer so. Diese lassen sich als um sich selbst kreisende und in sich geschlossene Räume beschreiben, in denen sich überwiegend sozial und ökonomisch besser gestellte Akademiker*innen begegnen. Die Besucher sind älter als der Bevölkerungsdurchschnitt und vorwiegend weiblich. Viele Häuser haben sich auf den Weg gemacht und stellen fest, dass die Ansprache von Menschen außerhalb der Bubble keine leichte Aufgabe ist. Teilweise besteht große Unwissenheit darüber, wie man die Membran durchlässig machen kann. Einrichtungen, die flexibel programmieren können, haben es leichter. So beispielsweise die Theater, in denen aktuelle gesellschaftliche Themen auf der Bühne verhandelt werden. Allerdings ist damit nicht sichergestellt, dass sich dadurch Besucherstrukturen ändern. Dieser Prozess der Öffnung bedeutet kontinuierliche Arbeit in allen Bereichen der Organisation wie es eindrucksvoll das Maxim Gorki Theater und die Komische Oper Berlin zeigen.

Dieser Prozess der Öffnung bedeutet kontinuierliche Arbeit in allen Bereichen der Organisation.

Wo steht der Kulturwandelprozess in den Museen?

Die Museen drohen aus der Zeit zu fallen: So beschreibt Hanno Rauterberg den radikalen Wandel und die Legitimationskrise der Institutionen in der Digitalmoderne (vgl. Rauterberg 2018: 49). „Wer allerdings verhindern will, einzelne Werke zum Objekt des Machtkampfs zu degradieren, muss seine emanzipatorischen Ansprüche tatsächlich dort anmelden, wo die eigentliche Macht sitzt: in den Gremien der Institution“ (ebd. 67). Die Aushandlungsprozesse finden verstärkt außerhalb des Museums in kaum kontrollierbaren Kommunikationsräumen statt. Das räumlich verteilte oder – wie Maletzke (1963) sagt – „disperse“ Publikum hat sich seit den sozialen Medien radikal verändert. Waren zu Zeiten der unidirektionalen Medien Zeitung, Fernsehen und Radio die Rezipienten kommunikativ voneinander getrennt, haben sie heute die Möglichkeit sich jederzeit – auch anonym – zu Interessensgruppen zu verbinden und sich Gehör zu verschaffen. Wie für alle gesellschaftsrelevanten Institutionen gilt es auch für die Museen, Aushandlungsprozesse neu zu gestalten – intern wie extern. Hier setzt Outreach an.

Wie für alle gesellschaftsrelevanten Institutionen gilt es auch für die Museen, Aushandlungsprozesse neu zu gestalten – intern wie extern.

„Outreach ist ein systematischer Prozess, bei dem die Kulturinstitution strategische Maßnahmen abteilungsübergreifend plant, durchführt und evaluiert, um Gesellschaftsgruppen einzubeziehen, die das Kulturangebot aus unterschiedlichen Gründen nicht eigeninitiativ wahrnehmen. Dieser Prozess bewirkt eine Veränderung in der Haltung der Institution, der Diversität des Personals, ihrer Programmgestaltung und Kommunikation. Ziel ist eine diversere, die Gesellschaft widerspiegelnde Besucherschaft“ (Scharf/Wunderlich/Heisig 2018: 13). Die Tätigkeit von Outreach-Managern und -Kuratoren hat wenig mit der klassischen Vermittlungsarbeit zu tun. Es geht nicht nur darum, etwas außerhalb des Museums anzubieten oder einfach neue Zielgruppen zu erschließen. Outreach wird besonders in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchsituationen bedeutsam. Historisch lässt sich das im Gefolge der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren, oder im sozioökomischen Wandel im Großbritannien der 1990er Jahre beobachten (vgl. Scharf/Wunderlich/Heisig 2018: 50 ff.). Heute verändert sich die Gesellschaft durch Digitalisierung, Globalisierung und Migration. Während Outreach früher eine Reaktion auf gesetzliche und regulative Anstöße war, kann es heute proaktiv zur gesellschaftpolitischen Legitimierung eingesetzt werden. Outreach wird dann als offener Innovationsprozess verstanden und professionell als strategisches Diversity-Instrument eingesetzt. Weshalb Outreach auch im deutschsprachigen Raum weiter an Relevanz gewinnen wird, verdeutliche ich anhand folgender Thesen.

#Museen werden sich an ihrer Diversität messen lassen

Einigen Häusern wird es große Anstrengungen bereiten, ein diverseres Publikum zu begeistern. Es gibt immer mehr Kulturangebote bei zurückgehendem Interesse. Denn zahlenmäßig vergrößert sich die Besucherschaft nicht. Nachfolgende Generationen werden mit anderen Erwartungen und Kulturtechniken groß. Schulen bereiten nur wenigen Schüler*innen den Zugang zu Kunst und Kultur. Die Zugewanderten
sind mit ihren Interessen überhaupt nicht angesprochen.

Die Institutionen denen es besser gelingt die Diversität in der Gesellschaft widerzuspiegeln werden eine höhere Relevanz haben.

Kulturinstitutionen sollten Diversität ernst nehmen und die eigene Haltung reflektieren. Dies geht über Fragen der Inklusion und Integration hinaus. Die PANIC! Studie aus Großbritannien (Brook/O’Brien/Taylor 2018) zeigt, dass Menschen mit „Working Class“ Hintergrund sowohl in der Besucherschaft als auch im Personal stark unterrepräsentiert sind. Sie werden von den Beschäftigten der Kreativbranche nicht angesprochen, die vielmehr ihre eigenen, sehr spezifischen Geschmacksmuster reproduzieren. Die Besucherschaft ist folglich ein Spiegelbild der Mitarbeiter*innen im Kulturbetrieb, beide zusammen bilden eine „Kultur-Bubble“. Die Institutionen denen es besser gelingt die Diversität in der Gesellschaft widerzuspiegeln werden eine höhere Relevanz haben.

#Museen schaffen mehr Relevanz durch Begegnung

Kulturinstitutionen im Wandel definieren ihre gesellschaftliche Rolle neu, indem sie mit einer konsequenten Outreach-Strategie gewohnte Denk- und Handlungsmuster verlernen und in einem offenen Innovationsprozess direkte Begegnungen mit neuen Bevölkerungsgruppen schaffen. „Open Museum“ lautet der Name der Outreach-Abteilung der neun Glasgower Museen, die seit über 25 Jahren die Verbindung zur Stadtbevölkerung herstellt. Sie unterstützt die Philosophie der Museen, dass die Sammlungen den Menschen in Glasgow gehören: Sammlungsobjekte werden lokalen Gruppen zur Verfügung gestellt, die gemeinsam mit den Outreach-Mitarbeiter*innen Ausstellungen gestalten, die auch in Krankenhäusern, Bibliotheken oder Einkaufszentren zu sehen sind (vgl. Erickson 2015).

Neue Arbeitsweisen, die wechselseitige Begegnungen ermöglichen, sind zu etablieren.

Begegnung darf dabei keine Einbahnstraße bleiben. Noch wirkt Outreach zu wenig in die Museumspraxis hinein. Neue Arbeitsweisen, die wechselseitige Begegnungen ermöglichen, sind zu etablieren. Damit die Stimmen aus der Bevölkerung tatsächlich Eingang ins Museum finden, wurde in Glasgow ein Forum eingerichtet, in dem Bevölkerung, Outreach-Mitarbeiterinnen und Kuratorinnen untereinander, mit der Sammlung und zu aktuellen Fragestellungen in Kontakt treten (ebd.).

#Co-Kreation wird ein wichtiger Bestandteil der Museumsarbeit

Es ist nicht neu, dass Museen partizipativ sammeln oder Besucherinnen in Ausstellungsplanungen einbeziehen. Co-Kreation ist jedoch ein partizipatorischer Prozess, der bereits in der Phase der Konzeption beginnt. Die besondere Herausforderung ist dabei die Einbeziehung der Nichtbesucher. Das Historische Museum Frankfurt sucht daher Wege, um die Interessen und Bedürfnisse der Frankfurter Bürger, die bislang nicht präsent sind, kennenzulernen. Das Museum macht sich im Rahmen des Stadtlabors mit seinen Forschungsfragen auf den Weg und sammelt in wenig repräsentierten Stadtteilen Geschichten, Bilder, Töne und Exponate der Frankfurter Bürger. Einerseits mündet dies in Ausstellungen vor Ort, andererseits wird das, was als Suchbewegung außerhalb begonnen hat, schrittweise in die interne Museumsarbeit integriert (Scharf/ Wunderlich/Heisig 2018: 68 ff.). Direktor Jan Gerchow hat sich auf den offenen Prozess eingelassen: „Das ist ein gewagtes Experiment für eine so träge Einrichtung wie ein Museum. Aber auch Museen müssen sich bewegen, wollen sie im 21. Jahrhundert noch ihr Publikum anziehen und Relevanz behalten“ (Gesser/Mucha 2015: 5). Digital-Outreach am Rijksmuseum ermöglicht die kreative Aneignung und Nutzung durch Remixen und Neukontextualisieren (Scharf/Heisig/ Wunderlich 2018: 95), geht also ganz bewusst auf aktuelle Kulturtechniken ein. Die Sammlungsstücke werden in hochaufgelösten Dateiformaten kostenlos zur Verfügung gestellt und man darf die Bilder nach Belieben bearbeiten und weiterverwenden. Potentielle Nutzerinnen wurden bereits in die Entwicklung des benutzerfreundlichen Onlineangebots einbezogen. Was heute selbstverständlich erscheint, wird im Museumsumfeld kontrovers aufgenommen: Kritikpunkte betreffen den Umgang mit Originalen wie auch die vermeintliche Unbrauchbarkeit der Bilddatenbank für die wissenschaftliche Forschung. Das Publikum nimmt das Angebot dankend an, was am Zuwachs der Benutzerkonten ablesbar ist: Jede*r kann ihr/sein eigenes „Rijksstudio“ anlegen.

Es setzt jedoch eine grundlegende, mitunter auch schmerzliche Veränderung der Organisation voraus, die mit Reflexion und Aushandlungen einhergeht.

Die Outreach-Strategie hängt von den jeweiligen Ausgangsbedingungen des Museums ab. Wie Community-Outreach, Digital-Outreach und andere Formen kombiniert und organisiert werden, hängt vom Vernetzungspotential der Mitarbeitenden in ein nicht akademisches Umfeld ab, das aktiv auszubauen ist. Sie schaffen stimmige mobile Formate und virtuelle Angebote wie co-kreative Produktionen, Pop-ups, Flashmobs, Satellitenmuseen, online Tools oder digitales Storytelling. Outreach funktioniert in jedem Museum. Es setzt jedoch eine grundlegende, mitunter auch schmerzliche Veränderung der Organisation voraus, die mit Reflexion und Aushandlungen einhergeht. Es geht nicht darum, den wissenschaftlichen Anspruch aufzugeben, sondern die Wissenschaftlichkeit zugänglich zu machen. Die Ausstellung muss bereits in der Konzeption vielen Perspektiven geöffnet werden. Dadurch halten neue Themen, Aspekte, Sichtweisen und vor allem eine andere Sprache und Visualisierung Einzug ins Museum. Es entsteht eine selbverständliche sozialräumliche Vernetzung und Nähe zu verschiedenen Lebenswelten. Die Filterblase wird durchlässig.

LITERATUR

Brook, Orian; O‘Brien, David; Taylor, Mark (2018): Panic! Social Class, Tase and Inequalities in the Creative Industries, [online]:
http://createlondon.org/wp-content/uploads/2018/04/Panic-Social-Class-Taste-and-Inequalities-in-the-Creative-Industries1.pdf [14.06.2018]

Gesser, Susanne; Mucha, Franziska (Hrsg.) (2015): Frankfurt-Modell Sommertour 2015. Projektdokumentation historisches museum frankfurt, [online]:
https://historisches-museum-frankfurt.de/sites/default/files/sites/default/files/uploads/broschuere_
sommertour_2015.pdf [21.04.2017]

Maletzke, Gerhard (1963): Psychologie der Massen Kommunikation. Theorie und Systematik: Hamburg, Verlag Hans-Bredow-Institut

Pariser, Eli (2012): The Filter Bubble: What The Internet Is Hiding From You: London, Penguin Books

Rachel Erickson (2015): The open Museum in Glasgow, Scotland [online]: https://incluseum.com/2015/11/16/open-museum-glasgow-scotland/ [14.06.2018]

Rauterberg, Hanno (2018): Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus: Berlin, Suhrkamp Verlag.

Scharf, Ivana; Wunderlich, Dagmar; Heisig, Julia (2018): Museen und Outreach. Outreach als strategisches Diversity-Instrument: Münster, Waxmann Verlag.

Sonder Primus Digital im Dezember 2018

Geschichtomat wurde mit dem Sonder Primus der Stiftung Bildung und Gesellschaft ausgezeichnet. Der SONDER-PRIMUS DIGITAL prämiert viermal im Jahr zivilgesellschaftliche Initiativen, die Kinder und Jugendliche auf das Leben in einer digitalen Welt vorbereiten. Auf der Website der Stiftung heißt es:

Das Institut für die Geschichte der deutschen Juden verknüpft im Projekt Geschichtomat digitale Bildung innovativ mit Erinnerungskultur, Geschichte und Abbau von Vorurteilen. Schülerinnen und Schüler erstellen selbst Videos und Texte zu jüdischer Geschichte und jüdischem Leben in Hamburg. Das Ergebnis ist eine tolle, umfangreiche Webseite als digitale Stadtkarte, die wiederum als Unterrichtsmaterial zum Einsatz kommen kann: https://www.geschichtomat.de/orte/geschichten/

Mehr Informationen zum Preisträger: https://www.stiftung-bildung-und-gesellschaft.de/primus-preis/digital/sonder-primus-dezember-2018.html

Blockchain & Kultur

In diesem Beitrag befasse ich mit der Entwicklung der Blockhain Technologie und gehe der Frage nach, welche Anwendungsmöglichkeiten sich in der Kultur ergeben. Der Text ist in gekürzter Fassung erschienen in: Kulturpolitische Mitteilungen Heft 162, 20 Jahre Bundeskulturpolitik

Die Dynamik der Entwicklung

Seit 2008 gibt es die Blockchain als dezentral organisiertes, digitales Verfahren, mit dem Transaktionen lückenlos, sicher und direkt durchgeführt werden können. Bis vor kurzem existierte das Thema nur in der außereuropäischen Entwicklerszene und in Fachzeitschriften. Mittlerweile verbreitet sich das Wissen um die Digitaltechnologie und ihre Anwendungen exponentiell. An der auf Blockchain-basierten Vertragsplattform „Ethereum“ arbeiten bereits 200.000 Programmierer (1), Blockchain-Webinare mutieren zu virtuellen Massenevents (2). Auch jenseits der Fachmedien liest man immer häufiger von der technologischen Revolution, und von sich seit dem Vorjahr verdoppelten Investitionssummen (3) Prototypen und Anwendungsszenarien finden sich in allen Branchen und Sektoren – mit durchaus gesellschaftsveränderndem Potential, auch für die Kultur.

„Um die Blockchain Technologie zu nutzen ist kein Bankkonto erforderlich, kein Nachweis der Staatsbürgerschaft, keine Geburtsurkunde, keine Anschrift und keine Landeswährung.“ (4)

Die Blockchain Technologie ermöglicht Transaktionen, bei denen Daten, Werte, Rechte, Eigentumstitel oder Ereignisse sicher und effizient übertragen werden können. Das Besondere ist, dass keine Mittler benötigt werden, die die Integrität garantieren. Durch die Prinzipien der Autonomie, Partizipation und Dezentralisierung sowie gesteigerte Transparenz und Sicherheit werden Transaktionen grundlegend verändert und Transaktionskosten minimiert.

Die Funktionsweise der Blockchain Technologie

Bei der Blockchain handelt es sich um einen Informationsverarbeitungsprozess, in dem Transaktionen mittels kryptographischer Verfahren in Datenblöcke und diese wiederum zu Ketten verbunden werden. Die Generierung eines neuen Blocks erfolgt mittels einer komplexen Rechenaufgabe in einem dezentralen Peer-to-Peer Netzwerk aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger Einzelrechner. Hier kommt das Wettkampfelement ins Spiel: Die Aufgabe können nur bestimmte Teilnehmer*innen mit hoher Rechenleistung lösen. Wenn die Blockerstellung abgeschlossen ist, wird der Block an alle im Netzwerk Beteiligten gesendet, verifiziert und angefügt. Entlohnt wird, wem dies am schnellsten gelingt.

Prinzipiell kann jede*r mit der entsprechenden Rechnerleistung eine Kopie der gesamten Blockchain auf seinem Rechner speichern. Die eindeutigen Nutzeridentifikationen und Zuordnungen von Transaktionen erfolgt über private und öffentliche Schlüssel. Die Blöcke wiederum erhalten eindeutige Codes, auf den sich der jeweils nachfolgende Block bezieht. Die Grundidee liegt darin, Misstrauen als Potenzial einzusetzen. Man ist nicht mehr auf die Vertrauenswürdigkeit von mächtigen  angewiesen, weil die unveränderbare Gesamtinformation kollaborativ und dezentral gespeichert wird: Die Souveränität der einzelnen Teilnehmer*innen über ihre Daten wird gestärkt und dadurch wiederum das gesamte Netzwerk. Dank des Open-Source-Ansatzes kann man vorhandene Blockchains nutzen, weiterentwickeln oder neue initiieren.

Blockchain Anwendungen

Die Technologie ermöglicht den Wandel zu dezentralen Strukturen. Zwischenzeitlich lassen sich mit öffentlich, privat oder konsortial organisierten Blockchains nicht nur einzelne Transaktionen durchführen, sondern Verträge automatisiert erfüllen, dezentrale Applikationen fahren und dezentrale automatisierte Organisationen aufbauen: In einer Struktur ähnlich einer virtuellen Genossenschaft sorgt kollektive Intelligenz für Transparenz, Konsensfindung und Kollaboration jenseits traditioneller Strukturen, Hierarchien und Machtkonzentrationen. Dies fordert die noch gar nicht so alte Plattformökonomie heraus, bei der ganz wenige Anbieter*innen ihre Dienstleistungen zentral verwalten und mit ihrem enormen Volumen an Kundendaten hohe Vermögenswerte generieren.

Die erste breite Anwendung waren die Kryptowährungen. Trotz geringer faktischer Akzeptanz als Zahlungsmittel und der Bildung einer Spekulationsblase zeigte sich ihr Umwälzungspotenzial: Da Banken in ihrer bisherigen Form überflüssig werden könnten, sind es die Platzhirsche der Finanzbranche, die plötzlich größtes Interesse. Vier große Automobilhersteller zogen mit der Mobility-Open-Blockchain-Initiative (MOBI) nach. Im gemeinnützigen Sektor gibt es vielversprechende Ansätze: UNICEF und Greenpeace organisieren Fundraising, andere Organisationen vernetzten Fördergelder und Mittelempfänger auf direktem Weg. In der öffentlichen Verwaltung ist Estland Vorreiter bei der Verankerung der Technologie in sensiblen Government Prozessen wie Grundbucheintragungen oder die Führung von Krankenakten (5).

Die Europäische Kommission hat die umfassende Studie „Blockchain in Education“ beauftragt, um das Potenzial und die Risiken der Blockchain Technologie für den Bildungssektor darzustellen. Die Autor*innen kommen unter anderem zu dem Schluss, dass sie genau dann sinnvoll genutzt werden kann, wenn bereits im Vorfeld länderübergreifende Standards definiert werden. Aufgrund der Entwicklungsdynamik lautet die Empfehlung, strategische Public-Private-Partnerships einzugehen. Praktische Anwendung kann die Blockchain-Technologie bei papierlosen Zertifikaten zum Qualifikationsnachweis wie auch für wissenschaftliche Veröffentlichungen finden (6).

Anwendungen im Kulturbereich

Viele der bereits erwähnten Anwendungen lassen sich auf den Kulturbereich übertragen, für Künstler*innen, Institutionen und mit gesamtgesellschaftlicher Wirkung. Dort wo geistiges Eigentum entsteht, versprechen Blockchain-basierte Zertifikate einen eindeutigen Nachweis der Urheberschaft und somit eine unmittelbare Wertschöpfung. Musiker*innen können unmittelbar mit ihren Abnehmer*innen Austauschbeziehungen organisieren, und die Blockchain bietet die Basis für eine Rechte-Clearing-Stelle (7). Neue Anbieter*innen ermöglichen es Künstler*innen, mittels digitaler Zertifikate ihre Kunstwerke oder Lizenzen in Datenbanken zu registrieren (8). 2017 wurde der erste Kinofilm mit Kryptowährung finanziert (9). Im Bereich der bildenden Kunst entstehen Möglichkeiten, Provenienz, Zustand, Besitzverhältnisse und Werte von Kunstwerken nachvollziehbar zu machen. Museen können sich als Nutznießer wie auch als Verlierer der Technologie sehen: Während Verisart die herkömmlichen Museumsdatenbanken um die eben erwähnten Möglichkeiten erweitert, hebt Wunder.art hervor, dass Künstler*innen sich von etablierten Machtstrukturen im Kunstsystem, wie sie gerade die Kunstmuseen darstellen, befreien können. Das Wunder Museum ist ein dezentrales Blockchain-basiertes Kunstmuseum.

Museums are gatekeepers, blocking a democratic digital art market […] We are building the first Art-as-a-Service and Art-as-an-Asset infrastructure at the intersection of new media art, patronage, technology and art investments.” (10)

Die lange diskutierte Frage der Organisation von Nutzungsrechten digitaler Kunstwerke, erscheint durch die mögliche Abwicklung über dezentrale Anbieter gelöst. Artlery ist ein Künstler*innen-Netzwerk zur Vernetzung mit der Community. Die Plattform greift auf eine eigens entwickelte Kryptowährung mit dem Namen CLIO zurück, die durch Erschaffung, Ausstellung und die finanzielle wie ideelle Wertschätzung von Kunst geschöpft wird.

Was bedeutet Blockchain für die Kulturpolitik?

Blockchain wird interessant, um Urheberschaft und Provenienz nachzuweisen, für das Fundraising und die öffentliche Kulturförderung. Sie kann auch im Bereich kultureller Bildung unterstützend eingesetzt werden, um große Netzwerke zu aktivieren und etwa Künstler*innen und Schulen nach bestimmten Qualitätskriterien zusammenzubringen, am besten in einem Schwung mit der Finanzierung.

Auch wenn viele Fragen zu Effizienz, Skalierung und Rechtssicherheit noch lange nicht geklärt sind, fordert die Technologie Institutionen heraus, neue Lösungen zu entwickeln. Kulturpolitisch bedeutet das, sich mit der Technologie, dem Vokabular und den neuen Möglichkeiten der Prozessgestaltung zu befassen und ein Verständnis für die Chancen und Risiken zu entwickeln. Es gilt die Grundlagen zu schaffen, sinnvolle Anwendungsbereiche zu identifizieren und bereits im Vorfeld institutionen- und länderübergreifende Entwicklungsprojekte durchzuführen.

Die künstlerisch-kritische Auseinandersetzung mit der Blockchain aber auch ihr kreativ-schöpferischer Einsatz sind unterstützenswert. Es geht dabei um die Anregung eines gesellschaftlichen Diskurses über die Auswirkungen der Blockchain-Technologie. Ihre Veränderungskraft kann die Blockchain nur entfalten, wenn ihr Mehrwert für Individuen, Organisationen und die Gesellschaft dargestellt werden kann.


Literatur

GDI Impuls Nr.2 (2016) : Das Blockchain Manifest, Luzern: Gottlieb Duttweiler Institute für Wirtschaft und Gesellschaft

[online] https://issuu.com/gdi_impuls/docs/gdi_impuls_2_16_gesamtausgabe [08.08.2018]

Meinel, Christoph/ Gayvoronskaya, Tatiana/ Schnajkin, Maxim (2018): Blockchain. Hype oder Innovation, Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.

Voshmgir, Shermin/ Kalinov, Valentin (2017): Blockchain. A Beginners Guide.

[online] https://s3.eu-west-2.amazonaws.com/blockchainhub.media/Blockchain+Technology+Handbook.pdf [08.08.2018]

(1) vgl. Handelsblatt (2018): Das Blockchain Manifest und seine Abgründe

[online] https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/krypto-kolumne/coin-und-co-die-krypto-kolumne-das-blockchain-manifest-und-seine-abgruende/21245486.html?ticket=ST-247400-UlhyT7zey4Gt5IT3bpcF-ap3 [08.08.2018]

(2) vgl. Meinel, Christoph /  Gayvoronskaya, Tatiana (2018): Onlinekurs vom 2. bis 16.07.2018 Blockchain: Hype oder Innovation? 

[online] https://open.hpi.de/courses/blockchain2018 [08.08.2018

(3) vgl. KPMG (2018): The Pulse of Fintech, 6.

[online] https://assets.kpmg.com/content/dam/kpmg/xx/pdf/2018/07/h1-2018-pulse-of-fintech.pdf [08.08.2018]

(4) Tapscott, Don / Tapscott, Alex (2017): Die Blockchain Revolution, Kulmbach: Börsenmedien AG, S.77. vgl. F.A.Z.(2017): Im Online-Staat gibt‘s keine Warteschlangen

[online] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/estland-ist-eine-vorzeigenation-bei-der-digitalisierung-15005575.html [08.08.2018]

(5) vgl. Grech, Alexander / Camilleri, Anthony F. (2017): Blockchain in Education, Luxembourg: European Union

[online] http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC108255/jrc108255_blockchain_in_education.pdf [08.08.2018]

(6) vgl. Grech, Alexander / Camilleri, Anthony F. (2017): Blockchain in Education, Luxembourg: European Union

[online] http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC108255/jrc108255_blockchain_in_education.pdf [08.08.2018]

(7) vgl. Tschmuck, Peter (2017): Die Musikbranche in der Blockchain

[online] https://science.apa.at/dossier/Die_Musikbranche_in_der_Blockchain/SCI_20171025_SCI76874352238775870 [08.08.2018]

(8) Tapscott, Don / Tapscott, Alex (2017): Die Blockchain Revolution, Kulmbach: Börsenmedien AG, S. 179.

(9) vgl. Wired (2018): Der Horror-Thriller Braid wurde per Kryptowährung finanziert

[online] https://www.wired.de/collection/life/braid-wurde-als-erster-film-mit-kryptowaehrung-finanziert [08.08.2018]

(10) vgl. [online] https://wunder.art [08.08.2018]

Geschichtomat bei der ersten Google Impact Challenge Deutschland

 

Mit Geschichtomat nahmen wir an der ersten Google Impact Challenge in Deutschland teil. Aus über 2000 Bewerbungen deutschlandweit zählten wir zu den Finalisten. 3,85 Millionen Euro vergab Google an die ausgewählten 210 Initiativen bei der Preisverleihung am 25. Februar in Berlin. Eine beeindruckende Veranstaltung die von der guten Stimmung der Sozialunternehmer lebte. Denn an diesem Abend waren alle Gewinner. Geschichtomat zählte zu einem der wenigen Kulturprojekte bundesweit, die es in das Finale geschafft haben. Eine tolle Würdigung der unzähligen Stunden und des Engagements, das in die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern fließt. Damit Jugendliche zu Ihrer eigenen Form der Erinnerung jüdischer Kultur und Geschichte finden.

Geschichtomat wird durch Drittmittel finanziert. Zu unseren wichtigsten Förderern gehören die Reinhard Frank-Stiftung und die Senatskanzlei der Hansestadt Hamburg.

Wenn Sie uns finanziell unterstützen oder als Kooperationspartner begleiten möchten, stehen wir Ihnen gerne telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung. Kontakt aufnehmen.

Eine Spendenbescheinigung kann auf Wunsch ausgestellt werden. Spenden richten Sie bitte mit dem Verwendungszweck “Geschichtomat” an:

M.M. Warburg Bank
BLZ 201 201 00
Kontonummer 1010 252 107
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Neue Arbeitswelt – Das Digitale im Analogen

Die Menschheit erschafft die Medien, die sie benötigt, um sich weiterzuentwickeln. Nun sind wir im digitalen Zeitalter angelangt und das Internet stellt offensichtlich momentan das geeignete Medium dar. Marshal MC Luhan brachte die Bedeutung der neuen Technik schon 1967 auf den Punkt. “Ihre Botschaft ist der totale Wandel, der aller Beschränktheit, sei sie psychischer, sozialer, ökonomischer oder politischer Art, ein Ende setzt.“ (Mc Luhan, 1967)

Jeder, der über einen Internetzugang verfügt und sich die wesentlichen Kenntnisse aneignet, kann zum Anbieter von Informationen, Dienstleistungen und Produkten werden. Das Internet ist und hat eine eigene Kultur, die von den Nutzern mitbestimmt wird – und sie prägt. Ermöglicht wird ein hohes Maß der Beteiligung jedes Einzelnen und der Selbstbestimmung. Die Informationen im Internet werden nicht von einer einzigen Instanz zur Verfügung gestellt. Die Besonderheit liegt in der Autonomie der Rezeption und der Konstruktion. Warum also sollten die Menschen hinter das zurückgehen, was nun Realität geworden ist? Diese digitalen Möglichkeiten wirken daher auch gesellschaftsgestaltend. Vor allem deutlich wird dies in der Arbeitswelt. Die Rede von neuer Arbeitswelt ist dann, wenn die digitalen Prinzipien wirken. Da es nicht mehr hinter diesen Entwicklungsschritt zurückgeht, beginnt ein Wettstreit darum, wer die neuen digitalen Möglichkeiten am besten in die analoge Welt überträgt. Einige Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht. Wie diese im Film Augenhöhe portraitierten. Das atelier für gesellschaftsgestaltung hat sich an der Crowdfunding-Kampagne für den Film auf der Plattform startnetx beteiligt.

AUGENHÖHE OmU (dt.) from Daniel Trebien on Vimeo.

Eine Frage der Haltung

Jedes Jahr öffnen neue Museen, die Besuche steigen und Museen sind beliebter als die Bundesliga. Warum also Outreach? Es ist eine Frage der Haltung, wie ein Museum seine Rolle in der Stadtgesellschaft definiert und sich mit ihr vernetzt. Dabei stellt sich das Museum zum Beispiel folgende Fragen “Welche Besucher wollen wir erreichen?” oder “Welchen Unterschied machen wir im Leben von Menschen?” Outreach umzusetzen bedeutet eine neue Ausrichtung der Organisation, neue Vernetzungsstrategien sowie neue Ebenen der Kommunikation und der gesellschaftlichen Verantwortung. Kurz: Outreach ist ein konsequenter Change-Management Prozess.

Menschlichkeit statt Mechanik

Ich komme gerade zurück von einem inspirierenden Symposium das mit der Themenstellung “Neue Schulen – Neue Wirtschaft. Miteinander Zukunft gestalten” vom Institut Lamberty initiiert wurde. Für kurze Zeit habe ich mich in die Zukunft versetzt gefühlt, in der ich leben möchte. Zusammen mit Menschen, denen Menschen wichtig sind, die sich auf den Weg gemacht haben unsere Gesellschaft anders zu gestalten. So unterschiedlich die Impulse aus dem Wirtschafts- und Bildungsbereich waren, für mich gab es viel Verbindendes. Denn wenn Margret Rasfeld fragt: „Was machen wir mit den Seelen unserer Kinder?“ und „Welchen Geist, welche Haltung geben wir in die Gesellschaft?“, dann betreffen diese Fragen nicht nur die Schule.

Dieser Zeit, in der Gestaltungskompetenz und Flexibilität gefordert sind, begegnet die Wirtschaft von heute genau wie die Schule von heute, mit Prinzipien aus einer vergangenen Zeit. In den Schulen, wie Unternehmen gibt es eine große Sehnsucht nach Sinn und Autonomie. Für Kinder, wie für Arbeitnehmer sind dieses die beiden Kernelemente zur Potenzialentfaltung. Wir gelangen zu einer Haltungsänderung und einem Menschenbild des mündigen und gestaltungsfreudigen Menschen, in dem wir mit Paradigmen brechen, die uns ursprünglich geholfen haben. Wie wir wissen ist es jedoch schwer eingeübte Verhaltensweisen zu verändern. Ich bin daher sehr dankbar an diesem Wochenende Beispiele erlebt zu haben, die zeigen wie die veränderte Haltung zur Veränderung des Umgangs mit Menschen und zu mehr Menschlichkeit führt, womit eine Steigerung der Wertschöpfung im weitesten Sinne verbunden ist.

In der Schule werden die Angst und der Konkurrenzdruck aus dem System genommen. So entsteht eine neue Kultur der Beziehungspflege zwischen Schülern und Lehrern und zwischen der Schule und ihrem Umfeld. Diese Schule macht Lust auf Lernen und Lernen macht wieder Freude. Das ist ein Prinzip, das auch in Unternehmen funktioniert. Bodo Janssen beweist mit dem Upstalsboom Weg, dass Menschlichkeit und Erfolg zusammen gedacht werden können. Er sagt: „Eine Unternehmenskultur ist dann authentisch, wenn die Menschen in dem Unternehmen das Leben können, was ihnen als Mensch wichtig ist.“

Wie man einer Kamera das Tanzen beibringt – Ein Abend mit Wim Wenders

Wim Wenders empfängt uns in der Kulisse des Stücks „Café Müller“, dessen Uhraufführung 1978 im Opernhaus Wuppertal war. 1985 sah er das Stück bei einem Gastspiel in Venedig. Der Beginn einer langen Freundschaft mit Pina Bausch und des Plans ein gemeinsames Filmprojekt zu realisieren. Der Abend handelt von Bewegung, als innerer und äußerer Prozess. Wim Wenders möchte uns bewegen.

Unser Gastgeber spielt Musik, im Hintergrund laufen Filmszenen aus „Himmel über Berlin“. Er erzählt uns, wie das Filmteam mit allen Mitteln die Kameras zum Fliegen brachte, damit sie sich wie Engel bewegten. Als die Kamera die Bewegung der Engel gelernt hatte – durch Wände und Menschen hindurch gehen konnte – entsprach das noch nicht der Wirkung, die das Bild vermitteln sollte. „Wie bringt man einer Kamera Spiritualität bei?“ fragt sich der Filmemacher und die Schauspieler erhalten fortan die Regieanweisung, eine liebevolle Haltung und liebevolle Blicke auszustrahlen. Von da an ist nicht mehr nur wichtig welche Einstellung gedreht wird, sondern mit welcher Einstellung. So wird eine Aura der Zuneigung vermittelt.

Nun ertönen kubanische Klänge; die Filmmusik zur Dokumentation über Buena Vista Social Club. Wim Wenders begleitet seinen Freund Ry Cooder spontan nach Kuba, wo dieser das Album “Buena Vista Social Club” aufnimmt. Er erzählt die beeindruckende Geschichte darüber, wie das Filmprojekt zu Stande kam. Sie handelt von Leidenschaft, Inspiration, Spontaneität, Zufall, Begegnung, Respekt und Anerkennung. Ein Ereignis, bei dem der Kameramann zum Musiker wird und die Musiker sich als Kameramann erproben, bricht das Eis zwischen den vermeintlich ungleichen Menschen. Von diesem Moment an, respektieren sie ihre jeweiligen Fähigkeiten und die Kamera kann hautnah dabei sein. Durch und mit der Verfilmung wird die Kamera musikalisch. Sie lernt den Groove.

Über 20 Jahre sollt es dauern, bis das Projekt, einen Film über Pina Bausch zu machen Realität wird. “Vorher, sagt Wim Wenders, war es nicht möglich.” Er hatte keinen Weg gesehen, Tanztheater filmisch umzusetzen, ohne Pina Bausch zu enttäuschen. Dann kam die 3D Technik auf den Markt. Eine Technik, die dazu verhalf, den Tanz mit seiner räumlichen Dimension darzustellen. Im September 2009 verstarb Pina Bausch plötzlich. Wim Wenders stoppte zunächst die Vorbereitungen, dann wurde aus dem gemeinsamen Projekt eine Hommage an Pina Bausch. „Pina“ wurde als erster 3D Film für den Oscar in der Kategorie Dokumentarfilm nominiert. Welche Forschungsarbeiten und welcher technische Aufwand damit verbunden waren, wurde uns anschaulich berichtet: Es bedurfte der minutiösen Vorbereitung, jede einzelne tänzerische Bewegung vorab zu studieren, damit die Kamera, die über einen teleskopischen Kranarm gesteuert wurde, den Tanz so nah und natürlich wie möglich einfangen konnte. Von Pina Bausch lernte Wim Wenders, das Bewegung aus etwas Innerem entsteht, das raus muss. Nachdem die Kamera fliegen lernte und dann musikalisch wurde, konnte sie nun auch tanzen.

Der Malort von Arno Stern

Malort Paris

Meiner Neugierde für Bildungsthemen und dem Kinofilm Alphabet verdanke ich meine Bekanntschaft mit Arno Stern. Denn am gleichen Abend noch meldete ich mich für sein Seminar in Paris an. In meiner Ausbildung lernte ich die Gesetzmäßigkeiten der Formulation, den Malort und seine Spielregeln kennen, befreite mich von allem Pathologisieren, Bestaunen, Belehren oder Deuten und möchte nun dazu beitragen, mehr Kindern die Erfahrung des Malortes zu ermöglichen.

Seit dem Kinostart von Alphabet im Herbst 2013 sind die Weiterbildungen im Malort in Paris weithin ausgebucht. Der Filmemacher Erwin Wagenhöfer porträtiert weltweit Menschen, die für ein neues Bildungsverständnis stehen. Darunter Sir Ken Robinson, Yang Dongping, Professor in Beijing und Leiter der staatlichen Organisation “Bildung des 21. Jahrhunderts”, Gerald Hüter, Professor für Neurobiologe in der Neurobiologischen Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und den Forscher Arno Stern.

Arno Stern ist Entdecker der Formulation. Damit beschreibt er das bis dato in der Menscheitsgeschichte nicht beachtete Phänomen, der natürlichen Entwicklung des Selbstausdrucks. Die Formulation erfordert keine Begabung und schließt niemanden aus. Die natürliche und spontane Ausdrucksweise, in bestimmten festgelegten Entwicklungsstufen, ist bei allen Menschen unabhängig von kulturellen Prägungen gleich. Es entstehen Erstfiguren, die wir als Unwissende im allgemeinen als Gekritzel bezeichnen und Hauptfiguren, die Erwachsene als künstlerisch unzulänglich werten und verbessern.

Mit dem Malort, erschafft Arno Stern einen Raum, der die optimalen Bedingungen für die Äußerungen darstellt. Ein Raum, der Geborgenheit gibt, in dem die Vernunft überschritten werden und das Spontane aufleben kann. Alles was hier entsteht bleibt im Malort. Über 500.000 Bilder hat Arno Stern während seines über 50 jährigen Wirkens archiviert und erforscht. Ich selber habe während des Seminars 7.000 dieser Bilder gesehen.

Das was im Malort geschieht nennt er Malspiel. Dieses Spiel erfolgt nach festen Spielregeln. Für Erwachsene sind die strengen Regeln gewöhnungsbedürftig. Kinder nehmen sie schnell an, denn sie sind wichtig für die Konzentration und Fokussierung auf eine Tätigkeit. Zu jedem Malspiel, das 90 Minuten dauert, finden sich auf einem Raum von etwa 20 Quadratmetern bis zu 15 Personen in gemischten Gruppen ein. Hier können sie ohne Vorbild, ohne Belehrung, ohne Meister ihrer inneren Spur Ausdruck verleihen. Sie werden dabei von einem Dienenden unterstützt. Die dienende Person im Malort sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Sie führt in die Spielregeln ein, achtet auf deren Einhaltung und ermöglicht es den Malspielenden, sich ganz auf sich und das Malspiel zu konzentrieren.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters nominierte auf Vorschlag der Deutschen Filmakademie den Dokumentarfilm Alphabet für den Deutschen Filmpreis. Der Malort und die Reformierung der Bildung werden in wenigen Tagen noch mehr Aufmerksamkeit gewinnen.

Das Expertenblog für Outreach in Museen ist online

Deutschland hat mit mehr 18.000 Kultureinrichtungen eine der höchsten Dichten an Kultureinrichtungen weltweit, erreicht damit jedoch nur 8% der deutschen Bevölkerung regelmäßig. Vielen Menschen ist also der Zugang zu Museen momentan nicht möglich. Damit geht ihnen ein wesentlicher Teil an kultureller Bildung verloren. Denn das Wissen, das in Museen gespeichert ist und in Form von Dauerausstellungen oder Sonderausstellungen gezeigt wird, trägt zu einem besseren Verständnis der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bei. Wie können Museen aktiv dabei helfen, dieses Wissen zu erschließen?

Wir möchten Museen in ein neues Zeitalter führen. Damit das gelingt ist eine neue Denkweise und ein strategisches Vorgehen erforderlich. Dass Outreach eine geeignete Strategie sein kann, stellen wir in unserem neuen Blog Museum-Outreach vor. Hier erfahren Sie was Outreach ist und warum Sie Outreach einführen sollten. Lesen Sie über gute Beispiele von Outreach im In- und Ausland, über aktuelle Forschungsbeiträge und Veranstaltungen zum Thema.